Wünsche erfüllen: lieben wir nur die Vorstellung?
Wann wissen wir eigentlich, ob wir etwas lieben oder, ob wir nur die Vorstellung davon lieben?
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wir betriebsblind sind, quasi eine rosarote Brille auf haben und häufig mehr in unsere Vorstellungen und Träume verliebt sind.
Ich reise in einfach mal über 20 Jahre in die Vergangenheit zurück.
Die 14 jährige Sarah fährt jeden Tag mit ihren Schulfreunden mit dem Fahrrad in die Schule. Nicht mehr lange, dann werden alle 15 und man kann den Mofa Führerschein machen. Wie toll ist doch die Vorstellung ein bisschen selbstständiger und erwachsener zu sein, cool mit einem Roller in die Schule zu düsen, als Rollergang, anstatt mit dem ollen Drahtesel. Alle finden diese Vorstellung einfach toll und versprechen einander den Mofa Führerschein zu machen. Einige Monate später ist auch Sarah endlich 15 und liegt ihren Eltern in den Ohren, sie doch bitte bei der Fahrschule anzumelden. Gesagt getan, Mofa Führerschein in der Tasche, eine wunderschöne kleine Zip in der Lieblingsfarbe blau gekauft, die aussieht wie ein Motorroller und Sarah strahlt vor Glück. Doch schon nach wenigen Tagen verblasst dieses Glück. Der Roller wird mehr und mehr zum Fluch. Mit knapp 30 km/h braucht sie nicht nur ewig zu Schule, nein es lachen auch noch alle über sie. Ständig muss sie tanken. Und um den Tank zu füllen muss sie arbeiten. Der Vater besorgt ihr einen Job in einer Gärtnerei. Sie hasst es. Viel zu weit weg, harte körperliche Arbeit und der Lohn geht komplett für den Roller drauf. Sie vermisst ihr Fahrrad. Doch das größte Unglück ist, dass sie einfach in keiner coolen Rollergang ist. Sie ist völlig allein. Keiner ihrer Freunde hat sich dazu hinreißen lassen einen Rollerführerschein zu machen. Nach einiger Zeit, Tränen und einem schwierigen Gespräch mit den Eltern (abschätziger Blick und „wir haben es dir doch gleich gesagt“) später, ist der Roller endlich verkauft. Sarah darf wieder mit dem Rad in die Schule und war nie glücklicher.
Warum erzähle ich euch diese Geschichte? Sie ist tatsächlich so passiert und heute weiß ich, dass ich das Rollerfahren nie geliebt habe, sondern einfach nur diese coole Vorstellung davon. Genauso ist es in verschiedenen Bereichen in unserem Leben. Vor allem wenn es mit Prestige oder Macht sowie Erfolg zu tun hat.
Wir stellen uns gerne vor unserer eigener Boss zu sein, ein gut laufendes Unternehmen zu besitzen unser Hobby zum Beruf zu machen. Aber wir vergessen, wie hart der Weg dahin ist. Dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind, eine GmbH gründen Bürokratie ist, ein Blick auf Steuern, BWA und Businessplänen zu haben. Verantwortung zu übernehmen, schwierige Zeiten miteinzukalkulieren, Konkurrenz einplanen. Oder das für solche Träume andere Dinge auf der Strecke bleiben: Hobby, Familie, Liebe oder einfach die eigene Zeit.
Auch in meiner Verwandtschaft habe ich gesehen, wie jemand unbedingt selbstständig werden wollte, es dann wurde, aber aufgrund des sehr guten Geschäfts eine Überforderung kam. Am Ende war mein Verwandter wieder ein Angestellter und glücklich.
Bei unseren Träumen und Wünschen sehen wir nur das Positive. Instagram schafft eine eigene Realität aus Perfektionismus, die es nicht gibt. Die Werbebranche kommt mit Slogans, die sagen, dass man alles schaffen kann. Man soll groß denken. Aber wir vergessen schlicht und ergreifend, dass da keine Fee ist, die einem mir nichts dir nicht den Wunsch erfüllt und, dass dann noch alles toll ist und bleibt, wie in einer perfekten Welt. Nein, die Realität ist in den meisten Fällen eben doch nicht so einfach. Und diese Erkenntnis trifft uns eines Tages, wie ein Schlag in den Nacken.
Und wir erkennen: Man hat nur die Vorstellung geliebt, aber nicht, dass es tatsächlich so ist.
Plötzlich sieht man, wie leicht das Leben als Angestellter war, wie sorgenfrei. Man hat das Gefühl keine richtigen Freunde mehr zu haben, weil man jetzt Geld hat und im Luxus lebt. Wem soll man vertrauen?
Und trotzdem ist es wichtig, genau diese Vorstellungen und dieses „was wäre wenn“ Denken zu haben. Denn es treibt uns an besser zu werden, zu optimieren und zu motivieren. Sich und und andere. Und manchmal hat man aber einfach Glück. Wenn der Beruf zur Berufung wird, wenn man die große Liebe gefunden hat oder eben die kleinen Erfolge. Oder man merkt auf dem Weg zur Wunscherfüllung, dass man bereits erfüllt ist. Und auch das ist doch ein schöner Gedanke, oder?
Seit vielen Jahren stelle ich mir vor eines Tages eine bestimmte Chanel Tasche zu besitzen. Die Vorstellung eine solche Tasche zu besitzen ist sehr schön, denn diese Exklusivität hat für mich etwas Unerreichbares, ein Ziel auf das man aber hinarbeiten kann und reizt mich. Aber wenn ich ehrlich bin, würde sie nicht wirklich in mein Leben passen, das so normal und unluxuriös ist und ich würde mich immer fragen, ob ich mit dem Geld nicht hätte was Sinnvolleres anstellen können, wenn ich sie dann doch besäße.
Erzählt mir von euren Erfahrungen. Wann habt ihr nur die Vorstellung von etwas geliebt und wann liebt ihr wirklich?
Euer Herbstmeedchen
2 Kommentare
Janine
Liebe Sarah,
was für eine klasse Artikel! Deine Geschichte danke, dass du sie erzählt hast und ich denke, dass jeder von uns so eine Geschichte hat.
Vorstellungen und Träume sind wichtig.
Nur ist die Vorstellung oftmals nicht realitätsgetreu das muss man bedenken.
Ich kann mich gut in Situationen reindenken, an das Positive so wie an das Negative, weswegen ich mich nicht von der Euphorie leiten lasse. Genau das tun aber viele und deswegen finde ich deinen Artikel unheimlich wichtig und augenöffnent.
Deine Janine
Herbstmeedchen
Liebe Janine,
ich freue mich immer sehr, dass du so liebe Worte für meine Artikel findest.
Danke für dein Feedback!
Alles Liebe
Deine Sarah