Die Psychologin

Meine schwarze Wolke

Wenn ich von einer schwarzen Wolke rede, meine ich nicht eine regengefüllte Wolke am Himmel oder die Abgaswolke einiger Autos, sondern viel mehr jene schwarze Wolke, die andere wiederum als „großer schwarzer Hund“ kennen.

Die Rede ist von einer psychischen Erkrankung, meist depressiver Art. Der große schwarze Hund oder eben die schwarze Wolke sind Sinnbilder für die Ängste, die Stresssituationen, die Ausweglosigkeit der Gedanken, die einem innewohnen, wenn man seelisch erkrankt ist.

Meine schwarze Wolke tauchte erstmals vor etwa 13 Jahren auf, als in einem Jahr mehrere einschneidende Erlebnisse in meinem Leben hervortraten. Die Aufarbeitung meiner Gedanken haben mich drei Therapeuten, drei Ortswechsel und jede Menge Nerven gekostet. Etwa sechs Jahre später galt ich als vorläufig geheilt, konnte mich selbst aus den schwarzen Löchern ziehen, meine Gedanken sortieren und das Positive im Leben betrachten. Meine schwarze Wolke schmolz zu einem kleinen weißen Schäfchenwölkchen dahin.

Die letzten sechs Jahre ging alles gut. Zwischenzeitlich regnete die kleine Wolke doch mal den ein oder anderen Tag auf mich herab, doch ich trug stets meinen Regenschirm als Schutzschild bei mir.

Sobald sich wieder ein Loch auftrat, sprang ich galant darüber.

Doch vor einiger Zeit spürte ich wieder diesen Schatten über (und einhergehend auch in) meinen Kopf. Immer weniger Sonne kam in meine Gedanken, die Wolke wuchs wieder zu einer ordentlichen dunklen Wolke heran und mit einem Mal fiel es mir nicht mehr so leicht, sie einfach wegzublasen. Zwei volle Wochen ließ ich es zu, dass die schwarze Wolke näher kam und ich drohte zu ersticken. Ein paar Gespräche mit meinem Mann und der Bitte, mir daraus zu helfen, gaben mir den Mut gegen meine Wolke anzukämpfen.

Sie schwächte wieder ab und verzog sich für einige Zeit. Ein Hochgefühl wie an Sonnentagen machte sich breit. Ich war wieder voller Ideen und Tatendrang. Keine extremen Manien, wie man es von manisch-depressiven Patienten kennt (Bipolare Störungen), sondern eher abgeschwächt bis neutral.

Für einige Leser meines Blogs sollte es nicht neu sein zu hören, dass ich psychosomatisch krank bin. Damit kann ich bis heute sehr gut leben, schnell die Notbremse ziehen. Was viele aber nicht wissen und auch mir erst nach einiger Selbstarbeit aufgefallen ist: für die Situation in denen sich meine Seele befindet, gibt es ein Krankheitsbild namens rezidivierende Depression.

Klar, ich hatte schon vor etwa sechs Jahren davon gehört. Ich war ein einer Reha wo auch Patienten mit Psychosomatik behandelt werden (keine Irrenanstalt, Ballerburg oder wie manch einer es unverschämt nennen würde, sondern eine ganz normale Kur). Da ich nicht nur meine Symptome behandeln wollte, sondern mich auch fachlich erkundigen wollte, nahm ich dort an einem Kurs teil, in dem es um diverse psychische Krankheitsbilder geht. Dort habe ich vom Chefarzt persönlich auch gelernt, dass Psychopharmaka/Antidepressiva nichts anderes sind als Drogen. Um es auf gut deutsch zu sagen. Und ich bin froh, bis heute ohne ausgekommen zu sein.

Jedenfalls wurden uns die unterschiedlichen Stadien und Ebenen von Depressionen anhand von Statistiken und Diagrammen gezeigt. Dort tauchte für mich erstmals der Begriff „rezidivierend“ auf. Schon damals hatte ich eine leichte Ahnung, dass ich eine Betroffene dieser Art sein könnte, jedoch nichts weiter hierin unternommen, da ich aufgrund einer langjährigen Diagnose vor Ort war. Nach meinem Heilungsprozess (Beendigung aller Therapien) verschwand das Wort dann irgendwann aus meinem Wortschatz, sodass ich es für diesen Beitrag erneut googlen musste, um nichts Falsches zu schreiben.

Um es kurz zu umschreiben: eine rezidivierende Depression ist ein lebenslanger Zustand abwechselnder, über eine geraume Zeit anhaltender Depressionen und nicht depressiven gesunden Phasen.

Und hier wären wir wieder bei meiner schwarzen Wolke. Rückblickend betrachtet hat sie mich mein Leben lang begleitet, aber ich habe sie nicht immer gesehen. Sie ist ein Teil von mir und ich bin froh, dass sie da ist. Denn sie hilft mir, in mich zu kehren, mich selbst auszuhorchen, meine Mitte zu finden und neue Kraft zu schöpfen. Wäre zwischendurch keine schwarze Wolke über mir zu sehen, dann säße ich schon längst drin und käme nicht mehr raus, aus einer tiefen Depression. So ist sie mir ein Ankerpunkt, ein Stoppschild, welches ich nicht übertreten darf. Sobald ich sie sehe, hole ich meinen Schirm raus und lasse sie abregnen, bis sie wieder eine niedliche kleine weisse Schäfchenwolke ist. Dann geht es mir auch wieder gut.


Hat dir der Beitrag gefallen? Hast auch du mit einer psychischen Erkrankung zu kämpfen? Wie gehst du damit um?

Schreib mir!!

Dein Herbstmeedchen

3 Kommentare

  • Janine

    Meine liebe Sarah,

    diesen Beitrag zu lesen hat mich sehr traurig gemacht, auch wenn ich das schon geahnt habe. Das du das Thema offen ansprichst und darüber schreibst finde ich gut. Es ist ein so wichtiges Thema und es sind leider unheimlich viele betroffen. Anscheinend passiert uns allen viel zu schnell viel zu viel und wir können das nicht mehr verarbeiten. Ich selbst bin zwar nicht betroffen, aber ich fühle mich manchmal so, als würde ich an der Kante stehen und kurz davor sein, kann mich aber immer noch retten. Man muss so unheimlich auf sich selbst aufpassen und sich die Zeit für sich fürs Verarbeiten nehmen. Ich kenne so viele Menschen, die keine Zeit für sich haben, die aber vieles verarbeiten müssten. Ja und ich muss oft zuschauen, wie Menschen, die ich gern habe, daran zerbrechen.

    Vieles sind ja Dinge, die wir seit unserer Kindheit mit uns herumschleppen.

    Ich kann dir hierzu ein Buch empfehlen „Das Kind in dir muss Heimat finden“ vielleicht hast du ja davon schon mal gehört?

    Ich drück dich!
    Deine Janine

    • Herbstmeedchen

      Liebe Janine,

      ich danke dir für deinen Beitrag zu meinem Artikel.
      Von dem Buch hbae ich zwar noch nichts gehört, werde mich aber mal darüber informieren.

      Liebe Grüße
      Sarah das Herbstmeedchen

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