Die Psychologin

Die Schwierigkeit, im eigenen Körper zu leben

Weichei, Spargeltarzan, Flachland… das waren nur ein paar der gängisten Schimpfwörter, die mir meine Mitschüler täglich vor dem Kopf warfen. Fünf Jahre Beschimpfungen, fünf Jahre Scham, Hass auf sich selbst, Angst.

Schon in der Grundschule gehörte ich zu den Kindern, die gehänselt wurden. Dann kam ich auf die weiterführende Schule und wurde zu dem, was man heute wohl „Opfer“ nennen würde. Der Hass meiner Mitschüler ging soweit, dass sie mir beim Rumschubsen durch den Flur, den Arm verstauchten. „Das ist doch nur ein Spiel!“, riefen sie dabei. Für mich war es kein Spiel, sondern bitterer Ernst. Ich war wie ohnmächtig, nicht in der Lage mich zu wehren. Meine Noten wurden schlecht, ich wurde von der Schule genommen. Mein Glück, dachte ich.

Doch auf der anderen Schule wurde es nur schlimmer. Neben den Beschimpfungen, wurde ich auf dem Nachhauseweg angehalten, festgehalten, angespuckt.

„Streber“, nannten sie mich, weil ich gut in der Schule war. Dann hatte ich so einen doofen Pickel auf der Nase, der nicht weggehen wollte. „Mofa“ schimpften sie ihn. Alles was ich tat oder wie ich mich gab, wurde bei meinen Mitschülern abgespeichert und immer wieder ins Lächerliche gezogen.

Bis heute weiß ich nicht, woher der Hass kam, den sie auf mich projezierten. Ich war ein stilles Mädchen, eher hilfsbereit, unscheinbar. Damals hatte ich ein niedriges Selbstwertgefühl. Ich fand mich nicht sonderlich attraktiv, meine Kleidung war meist aufgetragen und in meiner Freizeit las ich gerne. Aber ich hatte eine intakte Familie. Ich hielt mich an meinen wenigen Freunden fest, die sich zeitweise von mir abwandten, aus Angst, selbst gemobbt zu werden.

Nach und nach ebbte die Wut gegen mich ab. Vielleicht war es ihnen zu langweilig auf Dauer. Zum Schluss waren es nur noch die Mädchen, die versuchten mich mit Worten fertig zu machen.

Doch in mir keimte die Hoffnung auf: eines Tages werde ich es ihnen allen zeigen.

Dann werde ich besser sein, den besseren Job haben, eine Familie und mir die Dinge kaufen, die ich möchte.

Mit dem Wechsel in die Oberstufe lies ich den Hauptteil meiner Gegner hinter mir, fing an mich für das andere Geschlecht zu interessieren, knüpfte neue Freundschaften und wurde mutiger.

Meine körperliche Entwicklung hingegen ging etwas langsamer voran, weswegen ich wenig Interesse an Make-Up oder Mode hatte.

Doch dann kam ein Umbruch. Mit dem Umzug in die Großstadt kam auch meine Transformation. Auf einmal wurde ich weiblich, interessierte mich für Fashion, Männer begehrten mich und mein Selbstbewusstsein stieg raketenartig in die Höhe.

Doch selbst in meiner Ausbildung, in der Berufsschule, mit ganz anderen fremden Menschen, war ich unbeliebt. Doch hier konterte ich wenigstens und versuchte mich selbst zu behaupten.


-Break-


Heute:

Inzwischen sind einige Jahre vergangen, ich habe ein paar coole Jobs gehabt, bin verheiratet und schreibe diesen Blog.

Ich finde mich attraktiv und bin froh darüber, dass ich jünger aussehe, als ich eigentlich bin, vielleicht kann ich davon noch zehren, wenn ich 50 bin. Ich habe eine wirklich gute Figur, finde mich schön und bin manchmal echt selbstverliebt.

Manchmal finde ich mich deutlich attraktiver wie andere und manchmal ganz normal. Durch das Feedback anderer fühle ich mich bestätigt. Heute weiß ich, dass damals schon einige neidisch auf mich waren.

Schlank war ich schon immer. Und wärend früher über meinen kindlichen Berufswunsch, Model zu werden, gelacht wurde, gibt es heute Menschen, die sagen, dass ich auf einigen Fotos aussehe wie ein Model.

Bei einer Begegnung mit ehemaligen Schülern, bekam ich plötzliche Bewunderung zu spüren. Innerlich schüttelte ich nur den Kopf und empfand nur Abscheu meinem Gegenüber, äußerlich blieb ich freundlich und bedankte mich.

Doch mit jedem Positiven muss ein Negatives einhergehen.

Wo ich früher körperlich fit und nie krank war, dafür aber mein Äußerliches niedergemacht wurde, geht es mir heute häufig schlecht, obwohl mein Aussehen gesund ist (bis auf die Tatsache, dass ich blass bin).

Ich habe oft viele Wehwehchen, Schmerzen  fühle mich unwohl oder werde einfach vom Pech verfolgt. Es vergeht kaum eine Woche, in der ich nicht irgendetwas habe. Heute tut mir der Fuß weh, morgen der Rücken, das nächste Mal ist mir schlecht. Nur, dass ich nicht tagtäglich jemanden davon erzähle oder es in meinen Beruf mitnehme. Und geht es mir wirklich mal gut, kommt irgendeine Hiobsbotschaft.

Oder mir wird es nicht gegönnt. Dann kommen so Sätze wie: „Du bist zu dünn. Iss mal mehr. Ach du kannst doch alles essen. Wo bist du denn zu dick?“, so als ob alle anderen es für sich gepachtet hätten, über ihren eigenen Körper zu mäkeln. Und ja, auch ich bin nicht immer zufrieden. Klar weiß ich, dass ich im Durchschnitt schlanker bin, wie andere. Aber ich sah schon immer so aus und das bedeutet nicht, dass ich nicht auch mal finde, etwas zu viel an den Hüften zu haben. Man muss schon selbstkritisch mit sich umgehen. Und es ist ja in Maßen.

Es ist manchmal wahnsinnig schwer im eigenen Körper zu leben.

Hast du eine Fassade, die für andere nicht hübsch ist, wirst du nieder gemacht.

Bist du sehr attraktiv, neidet man dir.

Und deswegen glaube ich: hinter vielen schönen Menschen oder auch hinter Menschen, die es zu etwas gebracht haben, also Menschen denen geneidet wird… hinter denen stecken oft Schicksale, wenig Selbstbewusstein, ein kleines Ego, Krankheiten psychischer oder physischer Natur.

Meine Message: liebt euch so wie ihr seid. Jeder muss sein Päckchen tragen, egal, wie man aussieht. Ich glaube, dass das Schicksal dort die Waage hält.

Hier ist meine ganze Geschichte zum Thema: MOBBING


Mich würde interessieren, wie das Verhältnis zu eurem Körper ist oder wo ihr in eurem Leben PRO & CONTRA habt. Schreibt mir!

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