Die Denkerin

Früher war tatsächlich einiges besser

„Damals, als ich noch jung war; da gab’s sowas nicht.“, einen Satz, den bestimmt jeder von uns einmal von einer älteren Person gehört hat. Auch so Sätze wie: „Die Jugend von heute…“, sind einem aus unserer Generation geläufig.

Doch wer ist unsere Generation. Meine jedenfalls ist in den 90er Jahren Kind gewesen und in den 2000ern erwachsen geworden. Doch ich will mich heute weder mit einer Retroperspektive aufhalten, noch aus Zeiten des Kriegs erzählen. Es geht um einfache Sachen, die mir heute irgendwie fehlen, weil sie über die letzten Jahre, die Jahre der Digitalisierung abhandengekommen ist.

Kürzlich blätterte mein Mann in der Wochenzeitung (schaut außer mein Mann überhaupt noch jemand in die Zeitung?) und blieb bei den Anzeigen hängen. Es gab drei Todesanzeigen und eine für einen älteren Jubilar. Das war’s.
Ich erinnere mich noch an die mehrseitigen Anzeigen mit enormen Glückwünschen  zur Hochzeit, Geburt oder Geburtstag und die zurückhaltenden Todesanzeigen. Schon, als mein Mann und ich 2009 geheiratet haben, hat sich niemand mehr die Mühe gemacht eine solche Glückwunschanzeige für uns zu veröffentlichen, zur Geburt unserer Tochter letztes Jahr erst recht nicht. Das war doch immer etwas, dass man sich früher gerne ausgeschnitten hat und ins Album geklebt hat. Selbst das Fotoalbum ist als solches, kaum mehr in Haushalten zu finden. Wenn, dann vielleicht Fotobücher, die über diverse Fotoplattformen digital bestellt werden können.

Als Kind habe ich ein ums andere Mal bei der Großmutter oder mit meinen Eltern in die alten Fotobücher geguckt. Ich wollte wissen, wie es früher war und diese Fotos zum „anfassen“ machen es lebendig. Mit meinem Fotoapparat habe ich dann früher selbst irgendwann Fotos geschossen, sie entwickeln lassen und Alben erstellt oder zumindest Sammlungen. Tatsächlich habe ich all diese Fotos heute noch und es gibt diese sentimentalen Momente, in denen ich ein bisschen darin stöbere. Unsere digitalen Fotos auf der Festplatte verschwinden irgendwann im Nirwana, die größte Angst: Daten sind gelöscht. Was dann? Die ganzen schönen Erinnerungen sind weg. Doch, wenn wir ehrlich sind, schauen wir uns die Fotos am PC eigentlich gar nicht mehr an, Gesetz dem Fall sie schaffen es überhaupt von der Digicam oder dem Handy auf den Computer.
Deswegen habe ich entgegengesteuert und mittlerweile das zweite Fotoalbum von und für meine Tochter angefangen. Dort klebe ich die schönsten Momente rein, beschrifte sie und male oder klebe einen Sticker dazu. Auch bekommend die Großeltern jetzt wieder Abzüge in handfester Form. Und siehe da, die Freude ist groß. Ebenfalls habe ich mir ein Babyalbum zugelegt, in das man so Dinge schreiben kann wie: erste Schritte, Worte, Krankheiten, Haarschnitt, Sommer etc. inkl. Fotos und Co. (Hatte ja gehofft, ein solches Album zur Geburt zu bekommen, aber nein.)

Früher waren einige Dinge tatsächlich besser und da sind die Zeitungsanzeigen und die Fotosalben nur ein kleiner Teil dessen, der mir sagt:

man hat sich vor ein paar Jahren einfach mehr Zeit für gewisse Dinge und Geld in die Hände genommen, man hat sich Gedanken zu etwas gemacht.

Auch konnte man besser mit Geld umgehen.

Gemessen an unserem heutigen Lebensstandard verdienen wir nämlich überhaupt nicht mehr wie früher, aber dennoch werfen wir zu oft das Geld zum Fenster raus für vermeintliche Schnäppchen. Das digitale Geschäft boomt. Zu schnell und zu verlockend der eine Click, der die Ware in den Einkaufswagen befördert. Bezahlt wird selbstverständlich digital, da sieht man nicht mehr, wieviel Geld durch die Hände geht. Auch achten wir im Rabattgeschäft weniger auf Qualität. Günstig muss es sein und schnell gekauft werden können, denn der Mensch von heute hat wenig Zeit und Zeit ist bekanntlich Geld.

Ich bin ja selber so. Gehe ich heute selbst als Mutter mit meinem Kind in ein Lebensmittelgeschäft, denke ich kaum darüber nach, ob ich nun  diesen oder jenen Joghurt kaufen sollte oder nicht. Ich greife ihn mir einfach. Auch das x-te Kinderbuch für meine Tochter landet im Wagen, weil es nur drei Euro kostet, obwohl ich weiß, dass sie schon viel zu viele Bücher hat, mit denen sie, geschweige denn, was anfangen kann.
Bin ich früher mit meiner Mutter zum Einkaufen gegangen, wurde strickt nach Einkaufszettel eingekauft (gut, den habe ich auch, aber im Wagen landet oft viel mehr). Und am Joghurtregal wurde halt der Pudding für 20 Pfennig statt für 30 Pfennig gekauft. War eben 10 Pfennig günstiger. Der Einwand von mir, dass es unterschiedliche Schokogeschmäcker sind, war dahingestellt. Ein Buch oder eine Kinderzeitung für mich einfach mal so kaufen, Gott bewahre. Nur in den allernötigsten Ausnahmefällen.

Trotzdem hatte ich als Kind nie groß das Gefühl, dass mir was fehle. So habe auch ich schließlich gelernt auf die müde Mark zu gucken.
Mit dem Teuro-Euro hat sich dann aber für mich alles geändert. Auch, wenn ich für mich manchmal vor jenem Regal stehe und in Erwähnung ziehe, den günstigen Pudding zu kaufen, so greife ich dann doch den teuren, weil er meinem Mann besser schmeckt.

Herbstmeedchens Lieblingsworte von früher:

  • Anorak (Jacke)
  • verplempern (Zeit vergeuden)
  • Trantüte (ein Faulibär)
  • Badeanstalt (Schwimmbad)
  • Aschetonne (die graue Tonne)
  • turteln (verliebt rummachen)
  • schmusen (kuscheln)
  • Hasenbrot (Brotstulle für die Kinder, wenn der Papa sein Brot auf der Arbeit nicht gegessen hat)
  • schmökern (im Buch lesen)

Weitere Wörter findet ihr hier.

Euer Herbstmeedchen


Jetzt auch zum Hören: der Herbstmeedchen – Podcast

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