
Wenn man nur an sich selber denkt
…dann verliert man den Blick für das Wesentliche, für Freundschaft und Familie.
Genauso ergeht es mir gerade. Vor wenigen Minuten habe ich erfahren, dass eine Freundin zur Zeit krank ist. Schwer? Weiß ich nicht, denn sie hat es mir nicht gesagt. Ich weiß nur, dass sie wohl mehrere Tage im Krankenhaus gelegen hat und es ihr jetzt richtig beschissen geht.
Wie ich das herausgefunden habe? In dem ich bei ihr etwas angefragt habe und dabei ging es nicht um ihren Gesundheitszustand. Nur die übliche Floskel „Wie geht’s?“ am Rande. Das ganze per Whats App. Nett.
Gerade in dieser Situation wird einem der Spiegel vorgehalten.
Natürlich will ich wissen, warum es ihr schlecht geht, was sie hat, was man für sie tun kan. Zu groß das schlechte Gewissen, nicht mal zwischendurch gefragt zu haben, was sie so treibt. Aber: Hätte sie mich dann rechtzeitig informiert? Gehöre ich überhaupt zu ihrem Kreis der Leute, die sowas als Erstes erfahren dürfen?
Nun plagt mich der Gedanke, ob ich mich nicht doch Öfter in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis umhören sollte. Schließlich war das mein Vorsatz an Silvester. Aber mir fällt natürlich auch auf, dass auch mich niemand ernsthaft fragt, wie es mir geht und ich glaube das geht den meisten da draußen auch so.
Gerade in Siutationen wo es einem nicht so gut geht, möchte man doch mal zwischendurch gefragt werden, wie es einem gehe. Zumindest diese kleine Aufmerksamkeit, dass jemand an dich gedacht hat.
Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass man in gewissen Krisen oder Phasen des Lebens von niemanden etwas hören möchte. Dann schottet man sich meist selbst ganz ab. Auch ich kenne das, vor allem, wenn wieder eines meiner psychosomatischen Symptome verrücktspielt.
Doch warum fällt es uns so schwer, zum Hörer zu greifen und mal eine Person anzurufen, von der man länger nichts gehört hat oder mal vorbei zugehen?
Es gibt ja diesen Spruch der sagt: „Freunde sind nicht nur die, die im Sonnenschein bei dir stehen, sondern auch im Regen mit dir tanzen.“, oder so ähnlich. Fakt ist, wenn ich weiß, dass es jemanden nicht gut geht, bin ich in der Regel da. So fern die Arbeit es zulässt. So besuche ich meine Großmutter öfter, wenn sie im Krankenhaus liegt, als wenn sie zu Hause ist. Oder fahre fast ne Stunde um ne Freundin im Krankenhaus zu besuchen, obwohl ich sie das ganze Jahr über nicht sehe oder bin da, wenn ich erfahre, dass jemand schwer erkrankt ist. Nur dazu muss ich wissen, dass es ihnen nicht gut geht. Einige Menschen sehe ich öfter, wenn es ihnen nicht gut geht. Sie sollen wissen, dass ich da bin. Aber aufzwingen will ich mich niemanden. Ich hoffe nur, dass mal jemand für mich da ist, wenn es mir mal schlecht geht.
Es ist alles sehr unpersönlich geworden, seitdem ein jeder mit dem Smartphone rumrennt. Gespräche finden größtenteils nur noch in Chats und Gruppen statt, selbst wenn man nebeneinander sitzt. Niemand registriert mehr Unfälle oder Streiterein, wo man einschreiten sollte, weil jeder mit sich und seinem Handy beschäftigt ist. Ich hasse es. Danke, dass ich zumindest meine Kindheit ohne Handy verbringen durfte. Eine Freundin von mir hat tatsächlich erzählt, dass sie in einer Familien-Chat-Gruppe ist und wenn es Essen gibt, schreibt die Mutter dort rein, weil sie keiner hören würde, wenn sie ruft. Ist das zu fassen?
Durch das Handy vereinfacht man sich aber manchmal auch Gespräche, die eigentlich mehr Zeit benötigen und so schreibt man eher mit der Person, als einfach zum Telefon zu greifen und deren Stimme zu hören. Doch kann ein geschriebener Text das rüberbringen, was man bei nahstehenden Personen an der Stimme erkennen würde?
Wann jedoch bei mir das letzte Mal das Telefon geklingelt hat, weil mich jemand einfach nur mal so sprechen wollte, weiß ich nicht. Selbst die nahe Verwandschaft, die sogar um die Ecke wohnt, ist außen vor. Wie es denen geht weiß ich nicht. Aber ich will mir mal zu Gute halten, dass ich mich zumindest regelmäßig bemühe nach meinen Großeltern zu fragen, seit einiger Zeit. Vielleicht schaffe ich es dann auch an anderer Stelle.
Wenn man nur an sich selber denkt, verliert man zwar den Blick für das Wesentliche, aber man lernt zu wissen, was man will und was nicht. Und dazu gehören auch gewisse Freundschaften. Ich bin eher der Typ, der seine Freundschaften oder seine Kontakte zu zwei handvoll Leuten pflegt, egal über welchen Weg. Dazu gehören auch drei Damen und ein Herr, die ich schon sehr lange kenne, eine sogar mein ganzes Leben. Doch naiv wie ich manchmal bin, habe ich mich über Jahre bei diesen Herrschaften hin und wieder gemeldet. Gelegentlich kam auch was zurück, oft aber gar nichts. Irgendwann stellte sich für mich heraus, dass diese Herrschaften mich wohl mögen, aber scheinbar nicht genug, um von sich aus mal zu grüßen. Also habe ich mir vorgenommen, einfach gar nichts mehr zu tun und abzuwarten. Das traurige Ende ist, dass ich recht hatte.
Was ist also der richtige Weg?
Soll man nun regelmäßig Freunde und Verwandte anrufen, besuchen, schreiben und fragen, wie es geht und was so abläuft oder nicht?
Tut man es nicht, weil man sagt: die machen es ja auch nicht?Tut man es nicht, weil man sagt: ich renne niemanden mehr hinterher? Tut man es, weil man sagt: ich bin ein besserer Mensch, habe alles versucht und kann in Ruhe sterben? Oder tut man es, weil man hoffe es kommt was zurück?
Jetzt auch zum Hören: der Herbstmeedchen – Podcast

